Faktenwissen Schulenburgring: warum die Öffnung der Einbahnstraße gut ist.

Am 16. November findet in der Evangelischen Kirche auf dem Tempelhofer Feld (Wolffring 72, 12101 Berlin) von 19 bis 21 Uhr eine Einwohnerversammlung statt mit dem schönen Titel „Zum Miteinander von Autos und Fahrrädern im Schulenburgring“. Wir finden, der aktuelle Zustand kommt einem Miteinander aller Verkehrsteilnehmenden deutlich näher als eine strikte Einbahnstraße.

Hier haben wir einige Gründe aufgeschrieben, warum wir das so sehen. Die Öffnung verbessert die Sicherheit, sie ist sinnvoll und geboten. Die Stellplatzverluste sind dagegen verkraftbar. Deshalb kommen wir im Fazit zu dem Schluss, auch andere Einbahnstraßen sollten geöffnet werden. Von diesem Beitrag gibt es eine Druckversion.

Einbahnstraße, für gegenläufigen Radverkehr geöffnet mit absolutem Halteverbot

Die Öffnung für den Radverkehr in Gegenrichtung ist sicher.

Es gibt praktisch durchweg nur positive Erfahrungen mit der Öffnung von Einbahnstraßen und zwar sowohl im In- als auch im Ausland. Die Bundesanstalt für Straßenwesen stellt fest (Quelle, dort S. 3f.):  Radverkehr in Gegenrichtung gibt es meist schon vor der Öffnung, nur wird deutlich häufiger auf Gehwegen gefahren, wo dann dort Fußgänger*innen gefährdet werden. Nach einer Öffnung nutzen Radfahrende dagegen in der Regel die Fahrbahn.

Interessant ist, dass sich in geöffneten Einbahnstraßen die Verkehrssicherheit nicht verschlechtert, sondern verbessert. Bei 669 untersuchten Einbahnstraßen blieben über 80 Prozent komplett unfallfrei. Nur drei Prozent der Straßen wiesen mehr als einen Unfall auf. In nicht geöffneten Einbahnstraßen gibt es dagegen anteilig mehr Unfälle zwischen Fahrradfahrenden und PKW-Nutzenden. In den strikten Einbahnstraßen sind zudem erheblich mehr Kinder und Jugendliche Unfallbeteiligte. In den geöffneten Einbahnstraßen gibt es demgegenüber die Tendenz zu weniger und zu weniger schweren Unfällen.

Der Grund dafür: Wenn der Radverkehr in Gegenrichtung durch Schilder erlaubt ist, dann ist für alle Beteiligten klar: Hier ist niemand unberechtigt. Die Bereitschaft zur Rücksichtnahme wächst. Man sieht sich von vorn und kann miteinander kommunizieren, so dass Begegnungen völlig unproblematisch verlaufen. Das gilt auch in schmalen Straßen. Hier fahren Autos bei Begegnungen dann deutlich langsamer – ein positiver Nebeneffekt für ruhige Wohnstraßen.

Sicherheitsprobleme gibt es allenfalls an den Kreuzungen, an denen Autos einbiegen können, woran schlechte Sichtbeziehungen durch abgestellte Autos wesentlich schuld sind. Deshalb sind die Halteverbotszonen am Anfang des Schulenburgrings unverzichtbar!

Inzwischen sind vier Monate seit der Öffnung vergangen. Nach unserem Wissen gab es seither im Schulenburgring nicht einen Unfall zwischen jemanden im Auto und jemandem auf dem Rad.

Die Öffnung für den Radverkehr in Gegenrichtung ist sinnvoll.

Die Hauptprofiteure sind vor allem die Anwohnerinnen und Anwohner der Straße selbst. Sie können mit dem Rad nun von ihrer Haustür gleich in die gewünschte Richtung fahren und müssen keine umständlichen Umwege mehr in Kauf nehmen. Die regelwidrige Nutzung des Gehweges mit dem Fahrrad geht stark zurück. Davon profitieren auch die Nachbarinnen und Nachbarn, die zu Fuß gehen. Die Attraktivität der Radnutzung steigt deutlich, wodurch langfristig Abstellflächen für Autos frei werden. Zu bedenken ist: nur jeder dritte Weg wird in Tempelhof-Schöneberg überhaupt mit dem Auto gemacht. Welchen Grund sollte es geben, um die anderen Anwohnenden einer autozentrierten Logik zu unterwerfen und zu unsinnigen Umwegen mit dem Fahrrad zu nötigen?
Auch die Schülerinnen und Schüler der benachbarten Grundschule auf dem Tempelhofer Feld profitieren von einem sicheren Schulweg.

Zudem sinkt auf der Manfred-von-Richthofen-Straße durch mehr Radverkehr der Parkdruck und der dortige Handel profitiert davon, dass er besser aus Richtung Süden erreichbar ist. Die Erfahrungen zeigen: Kunden, die mit dem Rad kommen, bringen dem Handel mehr Umsatz.

Die Öffnung für den Radverkehr in Gegenrichtung ist geboten.

Die Möglichkeit zur Öffnung einer Einbahnstraße ist in der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung zwar nur eine Kann-Bestimmung. Ihr steht jedoch § 45  der StVO gegenüber, wonach der fließende Verkehr nur bei einer deutlich überdurchschnittlichen Gefahrenlage beschränkt werden darf. Dies ist in geöffneten Einbahnstraßen jedoch nicht der Fall. Liegen die Voraussetzungen für eine Öffnung vor, dann sollte man dies also tun. Es gibt für Nebenstraßen ohne Bus- oder LKW-Verkehr auch keine feste Mindestbreite. Durch die guten Sichtverhältnisse sind auch drei Meter möglich und problemlos, insbesondere wenn entsprechende Ausweichzonen eingerichtet sind (Quelle). Seit 2009 ist als Voraussetzung für eine geöffnete Einbahnstraße übrigens keine Vorsorge mehr für den „ruhenden Verkehr“ nötig. Wer dennoch darauf dringt, beharrt auf längst überkommene Vorrechte, für die es keine Grundlage mehr gibt.

Die eingerichteten Halteverbotszonen sind notwendig und verkraftbar.

Zur Vermeidung von Gefahrensituationen müssen in der engen Straße mit ihrer Kurve gute Sichtbeziehungen hergestellt werden und Warteflächen eingerichtet werden. Dafür dürfen auch ausdrücklich Abstellflächen für Autos entfallen. Dies ist vor Ort auch problemlos verkraftbar. Es gibt kein Recht, sein Auto vor der Haustür abzustellen, vielmehr gelten 1000 Meter Entfernung zwischen Auto und Wohnung als zumutbar. Allein im kleineren Umkreis von 500 Meter um die Halteverbotszonen haben wir mehr als 1.400 Abstellflächen auf öffentlichen Straßen gezählt, die über Nacht genutzt werden können. Die entfallenen Stellflächen liegen im Promillebereich und sind damit völlig irrelevant. Grundsätzlich gilt: Öffentliches Straßenland sollte allen zugute kommen. Die Verwendung des Raumes unterliegt dem Wandel der Zeit. Deshalb gibt es keinen Anspruch, private Gegenstände dauerhaft auf öffentlichen Straßen und Plätzen abzustellen.

Fazit

Das Viertel profitiert enorm davon, wenn für seine Anwohner*innen der Radverkehr attraktiver wird. Es gibt weniger Lärm, weniger schlechte Luft, weniger Stress. Je mehr auf das Fahrrad umsteigen, um so mehr Platz bleibt den verbleibenden Autonutzer*innen. Die Situation im Schulenburgring ist dennoch sicher nicht perfekt. So sollten zusätzliche Ausweichflächen im weiteren Verlauf geschaffen werden – wenn nicht gar die Stellplätze auf einer Straßenseite ganz entfallen sollten. Ebenso gibt es nach wie vor nicht genügend Fahrradbügel.

Gleichwohl: die geöffnete Einbahnstraße führt im Wohngebiet zu einem Mehr an Rücksichtnahme, zu einem langsameren Autoverkehr und insgesamt zu einem besseren Miteinander auf der Straße. Das begrüßen wir und deshalb ist für uns klar: auch andere Einbahnstraßen haben diese Vorteile verdient. Und warum nicht gleich gegenüber in der Burgherrenstraße anfangen?